Tja, wie kann
ich die Stadt, in der ich lebe, am treffendsten beschreiben?
Vielleicht mit dem Satz, den man in Stellenanzeigen bisweilen
findet, wenn eine Region als Lebensraum angepriesen werden soll, die
eigentlich eher durch ihre mediokre Art hervorsticht: Alle weiterführenden
Schulen am Ort.
- Oder
vielleicht mit dem Satz der Immobilienmakler: Alle wichtigen
Einrichtungen fußläufig erreichbar.
Gibt es hier
vielleicht mehr als das Freibad, den Aldi, die Feuerwache und die
zwei Araltanken?
Nun ja, ca.
26.000 Einwohner in einer Stadt des Ennepe-Ruhr-Kreises zwischen
Hagen und Dortmund, die auch gerne als Schlafzimmer von Pendlern
angrenzender Zentren genutzt wird. Ich höre die entrüsteten
Stimmen bereits, die auf die schön anzusehenden Fachwerkhäuser und
die zwei Ruhrstauseen hinweisen. Diese werden auch regelmäßig
ausgebaggert, damit die schwermetallhaltigen Sedimente das großartige
Naturschauspiel nicht zuschütten. Und dann auch noch das überregional
beachtete jährliche Kulturspektakel: Die Herdecker Maiwoche. Hier
werden Geschichte, Tradition und Geselligkeit großgeschrieben –
wie in Tausenden ähnlichen Festen in dieser Republik.
Ich gestehe es
ja auch schon ein: Natürlich lebe auch ich gerne hier, natürlich
bin auch ich Pendler mit Arbeitsplatz in einer angrenzenden Stadt,
betrachte die Fachwerkhäuser nur von außen (also keine Probleme
mit niedrigen Zimmerdecken) und natürlich fahre auch ich abends an
die Aral-Tanke, um im Shop die Dinge zu holen, die man tagsüber im
Aldi vergessen hat. Es
ist ja auch schön ruhig hier und fällt auch nicht aus dem Rahmen
– oder vielleicht doch etwas viel Fluglärm über dem Ahlenberg
und Ostende? Und dann noch der Ärger mit der Recyclingfirma an der
Nierfeldstraße. Insgesamt schön grün hier, etwas hügelig (es
gibt hier keine ebenen Grundstücke) und selbst die Graffitis am
Straßenrand fügen sich gut in das Bild einer angepassten
Kleinstadt ein. Ach ja, dann haben wir ja auch noch die Anthros mit
ihrem Krankenhaus, dem größten Arbeitgeber der Stadt, das Stolz
auf überregionalen Zuspruch ist. Aber gibt es dort noch die
anthroposophische Medizin? Oder ist auch dieses Krankenhaus von der
Wirklichkeit längst eingeholt worden und kämpft wirtschaftlich
angeschlagen ums Überleben, wie auch die Angestellten, die auf
Weihnachtsgeld und andere Lohnanteile verzichten?
Und wer fördert
die Kultur und den Radsport? Die Stadtsparkasse natürlich! Man
sieht: Die Rollen sind in bewährter Manier verteilt. Bürgermeister
ist in der Regel ein Lehrer. Man gibt sich auch gerne mal grün und
alternativ – aber nichts, was aus dem Rahmen fällt und einem später
Mal als Video vorgehalten werden könnte.
Fazit:
Es gibt hier nichts, was an
anderer Stelle nicht noch schlimmer wäre. Als politisch geschickte
Leistung ist hervorzuheben, dass es dem langjährigen Bürgermeister
Knauer gelungen ist, in der Weyerschen Eingemeindungsorgie Anfang
der 70er Herdeckes Selbständigkeit zwischen den beiden Großen
Dortmund und Hagen zu bewahren. Und dann gibt es hier das
hervorragende italienische Eis bei Battistuzzi, wie auch die
Italiener (Steinhauer) in Herdecke eine lange Tradition haben. Und
auch ein ansehnliches Kinoprogramm im Onikon („No Kino“ rückwärtsgelesen)!
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